Dressur | Springen | Vielseitigkeit | Ausbildung für Pferd und Reiter
Auf dem polnischen Gelände der Europameisterschaften in Strzegom kann ich schon von weitem erkennen, welche Nationalität mir entgegenkommt. Auffallend sind natürlich die roten Polo-Shirts der deutschen Mannschaft, auch wenn ich als kurzsichtiger Mensch immer ein bisschen warten muss, bis die Person sich mir nähert, denn die Belgier tragen eine ähnliche Farbe. Und im Fall von Bettina Hoy wird aus dem Rot innerhalb weniger Sekunden Oranje. Als Bundestrainerin der Niederländer trägt sie natürlich auch deren Mannschaftsfarben: „Das einzig anstrengende an meinem Job als deutsche Reiterin und niederländische Trainerin ist, mit dem richtigen T-Shirt zur richtigen Zeit aus dem LKW zu kommen“, erklärt Bettina mir mit einem Augenzwinkern. Auch Andrew Nicholson hat die Farben gewechselt. Als Mitglied des neuseeländischen A-Teams ist er seit Jahren in Schwarz unterwegs. Doch hier in Strzegom trägt der diesjährige Badmintonsieger Rot. Schon in Luhmühlen war der erfahrene Sportler und äußerst sympathische Mensch als Berater für den Geländekurs an der Seite der deutschen Reiter zu finden.
Aber auch andere deutsche Kader-Reiter sind auf dieser EM als Trainer und Berater für verschiedene Nationen unterwegs. Andreas Ostholt zum Beispiel trägt die Farben des österreichischen Teams – hat sich also nicht völlig von der Farbe Rot losgesagt, sein Bruder Frank ist bekanntermaßen seit 2008 mit der Schwedin Sara Algotsson verheiratet und ist deswegen im blau-gelben Dress unterwegs. Andres Dibowski ist als Headcoach der Gastgeber zwar überwiegend in weißer Jacke anzutreffen, aber etwas rot, wenn auch polnisches, blitzt an seinem Outfit hier und da durch.
Aber nicht nur deutsche Toppreiter geben ihr Wissen international weiter. So lief mir Andrew Hoy – Mitglied des australischen A-Kaders – im schicken T-Shirt der Spanier über den Weg. Amtssprache selbstverständlich Englisch. Genau wie bei Oli Townend und Ludwig Svennerstal. Mir gefällt wie bunt die europäische Vielseitigkeit geworden ist – nicht nur wegen der Mannschaftsfarben. Selbstverständlich befinden wir uns hier auf einer internationalen Meisterschaft und nicht auf einem Kindergeburtstag. Dennoch ist es ein bisschen wie ein Familientreffen: es gibt viel zu erzählen, Erfahrungen werden ausgetauscht – man spricht miteinander. Gerade wenn die Geländekurse so anspruchsvoll gebaut sind, rücken die Reiter näher zusammen. Sowohl in Badminton als auch in Strzegom durfte ich das beobachten. Der Herausforderer ist nicht der Reiter aus der anderen Nation, sondern die Strecke. Deshalb wird es zweitrangig welche Farbe das getragene T-Shirt gerade hat. Applaus bekommt jeder, der die Ziellinie überquert.
peb
Am heutigen Geländetag habe ich ordentlich was für meine Fitness getan. Und das, ohne mich großartig zu bewegen. Wie festgeklebt saß ich vor dem Monitor im Reiterzelt und habe die Stimmung dort genossen. Der Puls ging bei meinen favorisierten Reitern von ganz alleine nach oben: bei Julia, die leider etwas Pech hatte und vor allem mit den anfangs schwierigen Bodenbedingungen kämpfen musste. Was aber keine Ausrede für die jüngste Deutsche im Team war. Bei Josefa – was muss das für ein Gefühl sein mit einem selbstgezogenen und -ausgebildeten Pferd, den schwersten Kurs der gemeinsamen Laufbahn bei solch einem Event ohne Springfehler zu absolvieren? Und natürlich bei Bettina, der ich es in ihrem goldenen Herbst der Karriere mehr als gegönnt hätte. Aber leider hat es nicht sollen sein. Ich bin mir sicher, sie wird nach diesem unangenehmen Sturz nicht nur im wahrsten Sinne des Wortes wieder aufstehen und – wie eigentlich immer – einfach weitermachen.
Eine ausgedehnte Ruhephase gab es für mein beanspruchtes Herz nur zwischen den ersten und den zweiten drei deutschen Starten. Dabei ist meine Liste von Reitern denen ich die Daumen drücke deutlich länger als diese sechs. Spannend war für mich zum Beispiel auch Thomas Carlile mit dem Traumschimmel Upsilon. Leider kamen die beiden nicht ins Ziel. Oder die komplette Riege der Engländer. Seine drei Mädels (Ros, Nicola und Tina) haben Oli mit ihren super Nullrunden ganz schön den Hintern gerettet. Aber auch Karin Donckers und Sara Algotsson konnten mich mit ihren Ritten begeistern. Abschließend gab es in dem wirklich sehr schweren Kurs doch deutlich mehr glückliche Gesichter im Ziel, als es sich nach den ersten fünf Startern vermuten ließ. Körperlich kann ich am Ende dieses Tages mit den erschöpften Gesichtern der Reiter völlig mitfühlen und ich bin heute keine zehn Minuten am Stück galoppiert.
peb
Es sind zwei Monate vergangen, seitdem ich das letzte Mal in Langenfeld war. Es fühlt sich an wie eine Ewigkeit. Allerdings scheint es so, als ob hier die Zeit stehen geblieben ist. Wirklich verändert hat sich nämlich nichts. Es wird jetzt ein paar Tage dauern, bis alles wieder seinen gewohnten Gang geht. Die nächsten Projekte stehen vor der Tür und im Hinterkopf habe ich schon den Plan irgendwann nach England zurück zu kehren. Jetzt kümmere ich mich aber erstmal um meine Meisterprüfung. Und damit schließe ich auch meinen England-Blog. Es hat mir viel Spaß gemacht, von meinen Erlebnissen, Eindrücken und Erfolgen zu berichten. Auch wenn es verdammt viel mehr Arbeit war, als ich es mir je hätte ausdenken können. Ich hoffe bei meinem nächsten Abenteuer seit ihr auch wieder mit von der Partie. Bis dahin
Cheers,
euer Jörn
Ich bin mehr als wehmütig als ich die Stallungen von Little Charingworth Stud endgültig hinter mir lasse! Die Mädels hatten mir heute Morgen noch einen herzlichen Empfang bereitet und unser Abschied war nicht weniger freundschaftlich. Ich werde die Meute der Groom-Girls definitiv vermissen! Aber auch Bill und Jenny mit ihren beiden Kids Josh und Ursula fehlen mir jetzt schon. Ich mache mich mit zwei weinenden Augen auf den Weg. Natürlich haben Pauls grandiose Erfolge dazu beigetragen, dass die beiden Monate in England für mich zu einer unvergesslichen Zeit geworden sind. Aber es ist nicht nur das. Vielmehr sind es die Menschen, die mich mit offenen Armen empfangen haben, ist es diese krasse Natur und die Zufriedenheit meiner Jungs hier, die mir den Abschied schwer machen. Hier habe ich gelernt, dass ein gutes Vielseitigkeitspferd keinen starren Regeln entspricht. Wichtig ist, dass es genügend Herz und Leistungswillen hat. Paul hat bei seinen sechs Auftritten das mehr als bewiesen und all das in ihn gesteckte Vertrauen erwidert. Ich habe gesehen, was es heißt die Balance zu finden – für Reiter und Pferd. Nicht nur in Bezug auf Lektionen oder die Vorbereitung auf den nächsten Sprung, sondern auch hinsichtlich eines ausgewogenen Trainingsplans. In vielerlei Hinsicht sind wir schon auf dem richtigen Weg. Hier und da gilt es einfach noch professioneller zu arbeiten. Ich wünsche mir wirklich alles Erlernte in meinem alten Zuhause umsetzen zu können. Die Erfolgswelle darf meinetwegen noch ein bisschen weiter schwappen. Übrigens hatte ich ja heimlich die Vermutung, dass die Engländer drei Kreuze machen würden, wenn Paul und ich von der Insel sind. An der Fähre angekommen, wurde ich eines Besseren belehrt: Es werden keine Pferde mitgenommen. Das Wetter ist zu schlecht. Ich glaube, ich habe ein Déjà-vu.
Cheers,
Jörn
Trot up nach seiner ersten langen Geländeprüfung? Kein Problem für Paul! Als ob er gerade von der Weide kommt, joggt er entspannt vor den Richtern her und hat sogar noch Zeit wild mit dem Kopf zu schütteln. Gegen neun Uhr waren wir also accepted. Danach hieß es wieder warten. Bis 16 Uhr. Ein bisschen shoppen (die Damen des Haues wollen ja auch entertained werden), ein bisschen schlafen und ein bisschen mit Paul grasen gehen – schon war die Zeit rum. Wieder stand Bill beim Abgehen und Abspringen mir zur Seite. Ich weiß gar nicht wie ich das in Zukunft alleine hinbekommen soll. Er findet einfach die richtigen Worte um mich zu motivieren und gleichzeitig den Druck von mir zu nehmen! Der Parcours war sicherlich nicht Endmaß, nichtsdestotrotz passierten viele Fehler. Das machte mich nun endgültig kribbelig. Ich weiß, dass Paul ohne weiteres eine Nullrunde springen kann. Ich muss nur meine sieben Sachen zusammen haben, um ihn in den entscheidenden Momenten auch korrekt unterstützen zu können. Dieses Mal war es soweit. Mit gegenseitiger Hilfe schafften wir es die CCI* in Houghton Hall mit double clear zu beenden. Das sich ein Dirk Schrade von mir nicht wirklich unter Druck setzen lässt, war mir schon klar. Mit dem zweiten Platz bin ich aber auch mehr als zufrieden!!! Paul genoss den Applaus und die Ehrenrunde sowieso als ob er der Sieger wäre. Sobald die Kameras klicken spitzt mein Sunnyboy die Ohren und lächelt recht freundlich. Und auf einmal ist alles vorbei! Nicht nur das Turnier, sondern auch mein Aufenthalt in England ist rasend schnell vergangen. Wir fahren heute nochmal nach Chipping um Curt abzuholen und morgen machen wir uns dann endgültig auf in Richtung good old germany.
Cheers,
Jörn
Nach drei Tagen alleine in Houghton, sind heute meine Unterstützer aus Deutschland angereist. Gegen 12 Uhr fuhren meine Mutter und Petra auf den Platz. Genau zur richtigen Zeit, um mich bis zu meinem Start etwas abzulenken. Wenn der Tag um sieben Uhr morgens losgeht und du erst am späten Nachmittag dran bist, kann es ziemlich lang werden. Bill ist vormittags mit mir den Kurs abgegangen und hatte noch eine Reihe guter Tipps für mich. Kurz vor meinem Start kam er nochmal zu mir und hat die wichtigsten Passagen abgefragt. Wie viele Galoppsprünge wo und welchen Weg ich reite, wenn es irgendwo wackelig wird. Und schon ging es los. Für meine Leute am Boden fingen jetzt neun schwierige Minuten an, denn zu sehen war ich vom Start-/Zieleinlauf nicht wirklich. Beim ersten Minutenpunkt dachte ich schon ich hätte das Piepsen überhört. Ein Blick auf meine Uhr zeigte mir aber, dass wir erst 40 Sekunden unterwegs waren. Am zweiten Minutenpunkt dachte ich, dass meine Uhr kaputt sei. Zumindest zeigte sie erst 1:35 Minuten an. Da habe ich beschlossen erstmal die schwierigen Dinge hinter uns zu bringen und mich dann wieder mit der Zeit auseinanderzusetzen. Einen einzigen Moment hatte ich wo es wackelig wurde. Doch Paul war zur Stelle und half uns mit unerschütterlichem Selbstbewusstsein aus der Situation. Den Rest galoppierte er in seiner unnachahmlichen Art nach Hause: Kopf oben, ein Galoppsprung wie der andere und völlig ruhig atmend. Mein dritter Blick auf die Uhr verriet mir, dass wir entspannt in die Zeit kommen würden. Drei Minuten nach Beendigung des Cross hatte Paul schon wieder seinen Ruhepuls. Ich hingegen hatte Schnappatmung vor lauter Dankbarkeit diesem tollen Pferd gegenüber. Nach dem Gelände waren wir auf einmal auf dem zweiten Platz. Direkt hinter Dirk und Call me Honey. Unglaublich!!!
Cheers,
Jörn
So langsam füllen sich die Boxen und LKW-Stellplätze und es herrscht munteres Treiben. Inzwischen ist auch Bettina angekommen. Sie wird mit Micky die CCI** reiten. Lisa, Bettinas Pflegerin, habe ich direkt dazu verdonnert, Pauls Zöpfe zu reparieren. Nur reparieren, nicht neu machen. Schließlich muss das Glück noch ein bisschen halten. Am frühen Nachmittag ging es für Paul und mich los. Mit Bettinas Hilfe habe ich abgeritten. Aber es stellte sich überhaupt kein gutes Gefühl ein. Paul war unzufrieden, wollte einfach nicht abkauen und loslassen. Mir lief ein bisschen die Zeit weg. Als ich Richtung Viereck ritt, war mir schon etwas mulmig. Wir sind schon mal besser vorbereitet in eine Prüfung gestartet. Aber ich hätte es genauer wissen müssen. Sobald Paul das (endlich wieder) große Viereck erkannte, spitze er die Ohren fing an zu kauen und wurde mit jeder Sekunde zufriedener. Die Richter honorierten das mit Bestnoten schon beim Einreiten. Für seine Schritttour bekam Paul sogar eine Neun! Und ich in meinem Sitz Achten. Obwohl da noch Luft nach oben ist, wenn ich Bettinas und auch Silkes Korrekturen Glauben schenken darf. 😉 Leider gelangen uns ein Halten und die Schlangenlinien nicht so gut, wie wir sie eigentlich können. Ein bisschen unzufrieden war ich schon, als ich aus dem Viereck kam. Aber mit 40,4 Minuspunkten und einem fünften Platz habe ich überhaupt keinen Grund unzufrieden zu sein. Am Nachmittag bin ich dann direkt die Geländestrecke abgegangen. Ich muss ja schon wissen worum es geht, wenn Bill und ich sie morgen besichtigen.
Cheers,
Jörn
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Um 8 Uhr ging heute Morgen der Trot up los. Nur gut für mich, dass Paul und ich im letzten Drittel daran waren. Wir zählen beide nicht zu den begnadeten Frühaufstehern. Zudem gab es außer Überputzen nicht mehr viel für mich zu tun. Poppys Glückszöpfe waren schon drin (sie müssen noch die Dressur am morgigen Tag überstehen). Die Inspektion fand vor Houghton House statt. Unweigerlich drängt sich mir da ein Vergleich mit Badminton auf. Ich bin nicht größenwahnsinnig, trotzdem ist der Start beim Nationenpreisturnier von Houghton Hall mein kleines Badminton. Paul hatte kein Problem und wir konnten den restlichen Tag entspannt genießen. Eine Einladung zum Abendessen habe ich auch schon in der Tasche, von meinen französischen Nachbarn schräg gegenüber.
Cheers,
Jörn
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Es fühlt sich ein bisschen wie ein scheibchenweiser Abschied von Chipping Campden an. Den größten Teil meiner Klamotten habe ich für das Turnier schon wieder im LKW verstaut. Einzig ein paar Utensilien bleiben zurück, damit sich Harriet während meiner Abwesenheit gut um Curt kümmern kann. Der bleibt nämlich auch im heimatlichen Stall. Auch wenn es ein extra Aufwand an Arbeit ist, möchte ich mich in Houghton doch ganz auf meine Aufgabe fokussieren. Außerdem glaube ich, dass es Curt bei den Mädels tausend Mal besser gefällt. Und es gibt mir auf jeden Fall einen Grund noch einmal – wenn auch nur für einen Tag – zurückzukehren. Als ich dann endlich in meinem LKW saß, konnte ich die miesepetrigen Gedanken noch nicht ganz wegwischen. So alleine auf ein Three-Day-Event zu fahren hat schon etwas Trostloses. Aber ich verstehe natürlich, dass meine Family nicht die halbe Woche auf dem Turnier abhängen kann. Also Augen zu und durch! Drei Stunden Fahrt, alles aufbauen und einrichten, Paul noch mal ein bisschen die Beine vertreten lassen und dann ist auch schon fast Mittwoch.
Cheers,
Jörn
Horse & Hound ist nicht nur eine erfundene Zeitung aus Notting Hill! (Der Film gehört zwar nicht zu meinen Favoriten, aber was tut Mann nicht alles, um seine Freundin glücklich zu machen?) Jede Woche erscheint eine neue Ausgabe und in der vom 21. Mai stehen Paul und ich jetzt auch drin! Aber lest selbst:
Beim heutigen Galopptraining am Berg strotzte Paul übrigens nur so vor Selbstbewusstsein. Er war der festen Überzeugung, dass er die drei Galopper, die einen Vorsprung von hundert Metern hatten, noch einholen kann. Ich hatte alle Hände voll zu tun, ihn von dem Versuch abzuhalten. Zum Glück ist es mir gelungen. Schließlich soll die Arbeit am Berg vorbereitend sein und ihn nicht auspowern. Dieser Hintergedanke ist Paul allerdings völlig fremd. Er möchte oben als erster ankommen! Wenn er die Einstellung mit nach Houghton nimmt, kann ja nichts mehr schief gehen.
Cheers,
Jörn